Wir hatten einen Traum...


wir wünschten uns ein Kind.
Der Traum ging in Erfüllung – nur anders.
Unser Kind kam behindert zur Welt.

Alexander
Geboren: 01.06.1996
Gewicht: 1620 g
Größe: 42 cm


Wie alles begann
Nach zunächst problemloser Schwangerschaft die erste Diagnose in der 30. SSW "to small for date" mit anderen Worten: keine zeitgerechte Entwicklung des Kindes im Mutterleib. Laut Doppler-Sono-Untersuchung sonst aber alles okay.

Doch in der 35. SSW spürte Jeanette keine Kindsbewegungen mehr und wir fuhren vorsorglich ins Krankenhaus. Unter der Gabe von Wehenmitteln wurden dort die ohnehin schon sehr zarten Herztöne so schwach, dass sofort ein Not-Kaiserschnitt eingeleitet wurde. Zunächst sah alles wie eine "gewöhnliche" Frühgeburt aus. Es sollte sich jedoch schnell rausstellen, dass dies nicht das einzige Problem bleiben sollte. Neben einer mittleren Gelbsucht wurden Unregelmäßigkeiten bei den Herztönen festgestellt.
Alexander war ein schlechter Esser und musste sich oft übergeben. Weil er außerdem zu schwach zum Saugen an der Brust war, wurde er vorwiegend über eine Nasen-Magen-Sonde ernährt. Er bekam 7 bis 8 Mahlzeiten pro Tag à 15 – 20 ml abgepumpter Muttermilch, von denen er die Hälfte wieder ausspuckte. Die Problematik mit dem Herzen stellte sich immer deutlicher in den Vordergrund. Erst wurde von den viel zitierten "Löchern" im Herzen gesprochen, später war die Diagnose nicht mehr ganz so eindeutig, so dass man beschloss, Kardiologen der Hamburger Universitätsklinik in Eppendorf zu Rate zu ziehen.
Der Termin war der 14.06.1996, doch zu dieser Untersuchung sollte es gar nicht mehr kommen. Alexanders Zustand verschlechterte sich in der Nacht vom 13.06. auf den 14.06. so dramatisch, dass er per Notarztwagen in die Kinderkardiologische Intensivstation des UKE verlegt werden musste. Dort wurde eine Aortenisthmusstenose in Verbindung mit einem Vorhof-Septumdefekt sicher diagnostiziert. Durch medikamentöse Beeinflussung versuchte man den Duktus wieder zu öffnen, um eine bessere Durchblutung zu erreichen und somit Zeit zu gewinnen. Es galt, Alexander auf die bevorstehende Operation vorzubereiten und vor allen Dingen noch eine Gewichtszunahme herbeizuführen. Dieses Vorhaben gelang jedoch nicht, daher die Entscheidung zur frühzeitigen operativen Korrektur bei 1465 g am 21.06.1996.



Kontaktaufnahme fällt noch schwer. Jede Menge Technik verbaut den Weg.


Positiver Verlauf der OP!
Ein brasilianischer Chirurg hat das "Wunder" vollbracht. Nach einer 4-stündigen OP war der Fehler korrigiert.
Alexanders Zustand stabilisierte sich langsam, aber sicher und als erstes konnte auf die künstliche Beatmung verzichtet werden. Nach und nach verschwanden immer mehr Kabel und Schläuche, so dass wir unseren Sohn nach dreimonatigen Krankenhausaufenthalt am 03.08.1996 endlich mit nach Hause nehmen konnten.
Alexander aß nach wie vor schlecht und wurde daher auch von uns noch immer vorwiegend über die Nasen-Magen-Sonde ernährt. Seine ausgeprägte Verdauungsstörung und ein sehr unregelmäßiges Schlafverhalten waren die Wegbegleiter der nächsten Monate.
Doch trotz aller erlittenen Beeinträchtigungen hätte Alexander sich besser entwickeln müssen. Darauf hat uns unerfahrene "Ersteltern" zunächst Alexanders Oma hingewiesen. Der Verdacht wurde von unserer Kinderärztin und der Krankengymnastin bestätigt. Um die neurologische Entwicklung von Alexander feststellen zu lassen, wurden wir am 14.02.1997 erstmals am Werner Otto Institut vorstellig.



Freiheit! Die ersten drei Minuten ohne Beatmung.


Erste Diagnose
Globaler Entwicklungsrückstand, hypertone zentrale Koordinationsstörung ohne deutlich erkennbare Spastiken.
Daraufhin Nachuntersuchung am 02.06.1997 mit EEG-Ableitung und dem Ergebnis einer Artefaktstörung in Form von epileptischen Blitzanfällen (BNS-Epilepsie).
Aus kardiologischer Sicht ging es Alexander jetzt besser. Es zeichnete sich ab, dass eine vormals geplante zweite Operation, zum Verschluss des Loches in der Herzscheidewand, wohl nicht mehr durchgeführt werden musste. Denn man vermutete, dass sich das Loch von selbst schließen wird.
Zur Behandlung der zerebralen Störungen wurde zunächst zweimal wöchentliches „Turnen” nach Bobath sowie einmal die Woche Frühförderung verordnet.

Des Weiteren wurde ein stationärer Aufenthalt im UKE vereinbart, um die Epilepsie „einzustellen”. Dramatische Szenen mit Überreaktion auf das Medikament "Sabril" machten diesen Aufenthalt zur einwöchigen Tortur.
Ein „Anschlagen” des Medikaments konnte auch nach drei Wochen nicht festgestellt werden, so dass man sich entschloss die Behandlung mit anderen Präparaten fortzusetzen.
Es folgte die verzweifelte Suche nach alternativen Behandlungsformen. Die "Ketogene Diät" schien uns ein richtiger Ansatz zu sein, bis wir feststellen mussten, dass auf diesem Gebiet in Deutschland so gut wie keine Erfahrungen vorliegen. Da sich auch die Ärzteschaft fast einstimmig gegen diese Form der Behandlung aussprach, gaben wir das Vorhaben auf.
Wir versuchten es mit homöopathischen Mitteln und konnten schon nach kurzer Zeit fantastische Erfolge erzielen. Zeitgleich wurde mit „Ofiril” ein potentes schulmedizinisches Präparat gegen Alexanders Anfälle gefunden, so dass er heute als anfallsfrei bezeichnet werden kann. Mittlerweile haben wir mit dem Ausschleichen des Antiepileptikums begonnen.



Körperkontakt trotz Beatmung.
Wir sind glücklich, dass im UKE immer versucht wurde solche Augenblicke zu schaffen.

Therapeutisches „Turnen”
Alexanders schwere Hirnschädigungen versuchten wir eine Zeit lang mit einer Intensivtherapie nach den Prinzipien von "Doman-Delacato" zu behandeln. Wir flogen nach England, um uns im "Brainwave-Center" (Somerset, Südengland) schulen zu lassen. Alexander war mit dabei und es wurde für ihn ein individuelles Traningsprogramm aufgestellt.
Was folgte, war ein sehr anstrengendes, erfahrungsreiches und teils frustrierendes Jahr. Die Übungen bestimmten unseren Tagesablauf und nahmen viel Zeit in Anspruch. Mit Helferinnen aus der Nachbarschaft absolvierte Alexander seine Trainingseinheiten täglich – oft unter Tränen.
Wir ließen uns eine Rampe bauen, auf der er das Krabbeln lernen sollte. Die leichte Neigung der Rampe sollte es ihm erleichtern, seine unkoordinierten Bewegungen in Fortbewegung zu wandeln.



Im Brainwave-Center.

Das Kind im Vordergrund
M
ittlerweile haben wir diese Übungen wieder eingestellt und lassen Alex jetzt Kind sein. Aber wir schmusen, spielen, singen, tanzen und lachen mit ihm, was ihm und uns sichtlich Freude bereitet und aus unserer Sicht derzeit die beste Therapie für uns alle ist. Natürlich versuchen wir weiterhin ihn optimal zu fördern. Jedoch steht jetzt seine und unsere Lebensqualität im Vordergrund. Schließlich sind auch wir eine Familie, die liebt und lebt.
Zu Alexanders Therapieprogramm gehören derzeit
- Krankengymnastik nach Bobath
- NEPA (Neuroentwicklungsphysiologischer Aufbau)
- Blindenfrühförderung
- Musiktherapie
- Hippotherapie
- Cranio-Sacral-Therapie


Alexander besuchte einen integrativen Kindergarten in dem zwei Erzieherinnen, eine Heilpädagogin und 17 kleine Kinder eine tolle Basis zur Förderung stellen.
Seit August 2002 hat Alexander nun auch einen Hund. "Hanna" wird zur Behinderten-Begleithündin ausgebildet. Sie soll seinen Weg ein Stück begleiten und Alex taktile und emotionale Reize bieten. Außerdem ist sie ein guter Kumpel zum Schmusen.

Mehr zum Thema "Behinderten-Begleithunde" ist unter der Rubrik von Jeanette zu finden.



Fröhlichkeit, auch eine gute Therapie.



Optimale Förderung nun in der Schule
Seit August 2003 ist Alexander „gross” und geht zur Schule. Durch ein neue Kooperations-Konzept können wir Alexander unter optimalen Voraussetzungen ganz in unserer Nähe „beschulen” lassen.
Fröhlich und ausgeglichen kommt er täglich aus der Schule.
Fünf Schülerinnen bzw. Schüler, zwei Lehrkräfte sowie ein Zivildienstleistender sind sicher auch eine Traumquote – da ist eine optimale Unterstützung fast garantiert.